Einschränkungen der Sinne im Alter

Geriatrie / Gerontologie,
Titelfoto: https://flic.kr/p/2kdfNK5

Aktualisierung am 8. Juni 2025

Der Beitrag wurde am 8. Juni 2025 ergänzt um Forschungsarbeiten, die in den Jahren 2021 bis Mitte 2025 erschienen sind.
Die Aktualisierungen sind gekennzeichnet durch einen grauen Hintergrund.

Im Deutschen Ärztelbatt 29/30 2021 vom 26. Juli 2021 ist ein Beitrag erschienen von Völter, Christiane; Thomas, Jan Peter; Maetzler, Walter; Guthoff, Rainer; Grunwald, Martin; Hummel, Thomas

Unter dem Titel “Funktionseinschränkungen der Sinne im Alter” schildern die Autoren die Ergebnisse einer selektiven Literaturrecherche in Medline und Cochrane Library. Um die Ergebnisse über die medizinisch-wissenschaftlichen Fachkreise hinaus zugänglich zu machen, fasse ich im folgenden wichtige Fakten zusammen. Auf die wissenschaftlichen Hintergrundinformationen wird dabei verzichtet. Sie sind in dem Aufsatz ausführlich dargestellt. Dieser ist über den folgenden Link verfügbar: Funktionseinschränkungen der Sinne im Alter (aerzteblatt.de)

Hervorheben möchte ich, dass die kognitiven und emotionalen Auswirkungen bzw. Begleiterscheinungen von Sinneseinschränkungen im Alter in den letzten Jahren stärker in den Forschungsfokus gelangt sind. Ausserdem betrachtet man zunehmend die kombinierten Effekte von mehreren Sinneseinschränkungen auf Lebensqualität und Selbständigkeit im Alter.

Sinneseinschränkungen im Alter: Sehen, Hören, Riechen, Gleichgewichtssystem

Abbildung des Gehirns mit Zentren für Sehen, Hören, Schmecken, Riechen

Es gibt Hinweise darauf, dass altersbedingte Sinneseinschränkungen die dazu gehörenden Gehirnareale verändern/verkleinern. Dies könnte u.a. dementielle Erkrankungen begünstigen.

Bildquelle: https://molecularneurodegeneration.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13024-024-00776-y

Sehen

Die verschiedenen Gewebesysteme des Auges unterliegen einem langsamen, kontinuierlichen physiologischen Alterungsprozess. Die Linse verliert – durchschnittlich beginnend mit dem 45. Lebensjahr – ihre Akkomodationsfähigkeit an unterschiedliche Entfernungen. Die Proteine der Linse destabilisieren, was Trübungen zur Folge hat. Die maximale Weite der Pupille verringert sich im Alter, die Zahl der für das Dämmerungssehen zuständigen Stäbchen nimmt ab. Die internen Transportvorgänge des für den Sehzyklus notwendigen Vitamin A verlangsamen sich.

Auswirkungen auf Sehen und psychische Prozesse

  • Alterssichtigkeit (Presbyopie)
  • Langsamere Anpassung an Hell und Dunkel
  • Blendempfindlichkeit
  • Linsentrübung mit verringerter Kontrastwahrnehmung (Katarakt)
  • Eingeschränktes Dämmerungssehen
  • Nachlassende zentrale Sehschärfe
  • Altersbedingte Makula-Degeneration
  • Kognitive Einschränkungen
  • Höheres Risiko einer demenziellen Erkrankung

Um nachlassende Sehschärfe ein wenig auszugleichen, sollte man in Drucksachen und Dokumenten für ältere Menschen eine sehr gut lesbare Schrift verwenden. Eine Möglichkeit ist die Schrift “Atkinson Hyperlegible”.

Der Einfluss von Seheinschränkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit gilt als gut dokumentiert. Eine Reihe von neuen Arbeiten hat sich mit der Frage befasst, welche Einflüsse Katarakt-Operationen auf die kognitiven Fähigkeiten im Alter haben können. Zwei Ergebnisse erscheinen mir interessant:

1. Katarakt-OP’s verbessern die kognitiven Leistungen der Patienten (erhoben 3 Monate nach der OP) im Vergleich zum Zustand vor der OP. Dies gilt für Patienten mit schwachen kognitiven Einschränkungen, nicht aber für Patienten mit Demenz.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/aos.16607?af=R

2. Durch eine Katarakt-Op verringert sich das Risiko eines langfristigen kognitiven Leistungsverlust um 25% im Vergleich mit Patienten, deren Katarakt nicht behandelt wurde.
https://www.aaojournal.org/article/S0161-6420(24)00102-7/abstract

Hören

Ab dem 60. Lebensjahr steigt die Hörschwelle um durchschnittlich 1 dB pro Lebensjahr. Dies führt dazu, dass mit zunehmendem Alter immer mehr Menschen Hörprobleme haben. Nach Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation spricht man bei einer durchschnittlichen Hörschwelle von 26 bis 40 dB von (leichter) Schwerhörigkeit. Dies gilt nach einer deutschen Studie (2015) mindestens für rund 20 % der 60- bis 69-Jährigen, rund 42 % der 70- bis 79-Jährigen und fast 72 % der 80-Jährigen und älteren. Eine leicht verständliche Erklärung für die Messung der Hörfähigkeit finden Sie hier.

Die deutsche Gutenberg Health Study (2023) kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie die oben erwähnte Studie. Nach der Gutenberg Studie leiden 28 % der 60- bis 69-Jährigen an einer leichten Schwerhörigkeit (20-39% Hörverlust). Bei den 70- bis 79-Jährigen sind es 40% und bei den 80- bis 89-Jährigen liegt der Wert bei 41%.

Der relativ niedrige Wert von 41% in der Gruppe der 85- bis 89-Jährigen könnte darauf zurückzuführen, dass in dieser Gruppe nur 16 Probanden vertreten waren, so dass die Messergebnisse möglicherweise nicht repräsentativ sind. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass die Messungen der Gutenberg Studie unter kontrollierten Bedingungen in einem schallgeschützten Labor durchgeführt wurden. Die Messungen der erwähnten Vergleichsstudie wurden hingegen in normalen Räumen einer Universität und teilweise in den Wohnungen der Probanden durchgeführt.

Graphik mit Prozentsätzen für Schwerhörigkeit in drei Altersstufen.

Auswirkungen von Schwerhörigkeit

Riechen

Das Riechvermögen lässt mit dem Alter nach und ist ab dem 80. Lebensjahr bei rund einem Drittel der Menschen fast nicht mehr vorhanden. Unabhängig vom Alter können Riechstörungen frühe Indikatoren für neurodegenerative Erkrankungen sein, z.B. das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS). 94 % der Patienten mit manifestem IPS haben eine Riechminderung. Eine Anregung der Autoren: Wenn ein Mensch mit “Diagnose IPS” über ein normales Riechvermögen verfügt, sollte man die Diagnose prüfen.

Riechstörungen werden in den letzten Jahren häufig als Indikator/ Biomarker für dementielle Erkrankungen erforscht: https://molecularneurodegeneration.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13024-024-00776-y

Auswirkungen einer Riechminderung

  • Gefahren im Alltag (Brandgerüche, Toxine) werden nicht wahrgenommen.
  • Durch die fehlende Aromawahrnehmung verringert sich die Freude am Essen.
  • Rund 30 % der Menschen mit Riechstörungen leiden unter depressiven Verstimmungen.

Gleichgewichtssystem

Es gibt zahlreiche altersabhängige degenerative Veränderungen des Gleichgewichtssystems, sowohl auf zellulärer wie auch neuronaler Ebene. Über Gleichgewichtsstörungen berichten 27 % der 65- bis 70-Jährigen und 54 % der über 90-Jährigen.

2023 veröffentlichte Zahlen (siehe Graphik) bestätigen die oben genannten Werte. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10242407

Balkendiagramm, das Prozentwerte von Menschen mit Gleichgewichtsproblemen in unterschiedlichen Alterklassen zeigt.

Abbildung: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10242407

Auswirkungen von Gleichgewichtsstörungen

  • Schwindelsymptome
  • Unsicherheitsgefühl, Sturzangst
  • Höhere Wahrscheinlichkeit zu stürzen, insbesondere im Dunkeln und auf unebenem Untergrund.

Kombinierte Wirkungen mehrerer Sinneseinschränkungen

Gleichzeitige Einschränkungen mehrerer Sinnesorgane sind schwerer zu kompensieren und können weitreichende Folgen haben. Der sogenannte “Global Sensory Impairment Index” korreliert signifikant mit Aktivitäten des täglichen Lebens, der Beweglichkeit und der 5-Jahres-Mortalität. Die Wahrscheinlichkeit, demenziell zu erkranken, zeigt einen klaren Zusammenhang mit der Zahl der Sinneseinschränkungen. Das Gleiche gilt für das Risiko, eine Depression zu entwickeln

Ergänzung nach Auswertung der aktuellen Veröffentlichungen seit 2021 am 8. Juni 2025:

Sensorische Einschränkungen im Alter betreffen häufig mehrere Modalitäten und haben erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und die kognitive Gesundheit. Die hohe Prävalenz von Beeinträchtigungen unterstreicht die Notwendigkeit von routinemäßigen sensorischen Screenings und multidisziplinären Interventionen. Früherkennung und Management könnten das Wohlbefinden älterer Menschen verbessern, dementielle Erkrankunngen und Depressionen verringern sowie Gesundheitskosten reduzieren.


Aktualisierung am 22. November 2021
Zur Prävention von Demenz tragen möglicherweise Impfungen bei, die man im Laufe seines Lebens bekommt.
https://agesuit.com/impfung-demenz-alzheimer-praevention/

Funktionseinschränkungen der Sinne im Alter

First published on: https://agesuit.com/funktionseinschraenkungen-der-sinne-im-alter/

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